№ 48, Sa. 10.09.22 - So. 18.09.22, Bora Bora - Maupity, Maupeliha


6:00 Uhr; ein schöner Morgen: Auf zu neuen Ufern! Unser Ziel Maupiti, die letzte der großen Gesellschaftsinseln. Wir freuen uns auf etwas Neues – keiner von uns war schon mal dort. Der Zugang in die Lagune erfolgt nur über einen Pass im Südosten; das heißt aber, dass bei viel und länger andauerndem Passat der Schwell genau darauf zu läuft und die Passage sehr gefährlich macht.

Immer noch kräftiger Passat. Gut besegelt sind die 25 sm in wenigen Stunden geschafft. Eine schöne Insel mit einem markanten Berg und einer Lagune hinter dem umschließenden Korallenriff. Schon vom weitem sehen wir am Riff und nahe dem Pass starke Brecher und hoch aufgischende Wasserfontänen. Wir kreuzen näher, werfen Blicke in den Pass. Er ist deutlich markiert, aber sehr schmal und windet sich um mehrere Ecken. Es herrscht sehr starke Strömung nach draußen ... weißes, gurgelndes Wasser, Strömungsrippeln, Whirlpools ... alles da, was einen erschrecken kann ... Noch eine Runde, die Strömung treibt uns weg ... eine weitere Runde, nochmals ein Abschätze des Risikos ... Wir stimmen ab und sind alle der Meinung: Wir lassen das mal besser bleiben!  „Gut so“, sagt die Vernunft; „Schade“ die Abenteuerlust.

Wir drehen ab und nehmen Kurs auf Maupeliha.


 Das Atoll Maupelia ist ca. 100 sm entfernt. Es ist bekannt - nicht nur in Deutschland -  als der Ort, an dem der „Pirat des Deutschen Reiches“, Graf Luckner, seinen Seeadler (wahrscheinlich durch schlechte Seemannschaft) verlor.

Ich freue mich, dieses abgelegene Atoll und seine Bewohner wiederzusehen. Schon bei meinem Besuch in 2017 lernte ich dort eine Südseebilderbuchwelt kennen.

Die Zufahrt erfolgt durch einen engen, mit 3 – 4 Kts stark strömenden Pass. Der Ankerplatz liegt auf der anderen Seite der Lagune, vor dem langgestreckten palmenbestandenen Motu.  Dort stehen auch die leicht erbauten Häuser der wenigen Inselbewohner.

Mein erstes Ziel ist das „Anwesen“ von Harry, unserem netten, generösen Gastgeber von 2017.  Ich zeige Fotos von diesem Besuch und er erinnert sich gut an uns, besonders an Angelos - Entschuldigung -  „Karl Marx Charakterkopf“... und schon sind wir zu Essen eingeladen. Norma, die jetzt mit ihm hier lebt, zaubert ein herrliches Dinner. Wir bringen Wein und als Nachtisch kleine Pfannkuchen und Schokolade mit. Für sie ist es selbstverständlich, dass wir, solange wir da sind, mit ihnen Essen; sozusagen Mitglieder der Familie sind.

Die nur 12 Bewohner hier leben hauptsächlich vom Verkauf von Copra, dem getrockneten Fleisch der Kokosnüsse. Der Staat zahlt subventionierte Festpreise, wohl auch um der Entvölkerung der abgelegenen Inseln entgegenzuwirken. Aber nur wenige halten es in dieser Einsamkeit lange aus. Es ist auch eine harte Arbeit, angefangen mit der Pflege der Palmgärten, dem Einsammeln der gefallenen Nüsse, dem Öffnen und Herausschälen des Fleisches, dem Trocknen und dem Einsacken. Erst wenn ca. 30 bis 60 t zusammen sind, kann ein Schiff angefordert werden, das dann das Endprodukt abholt; auch erst dann wird ausgezahlt. Schon seit 2 Jahren ist nun kein Dampfer mehr da gewesen. Und die Reserven an Grundstoffen (Benzin für den Außenborder, Gas, Mehl, Reis, Öl usw.)  gehen zur Neige. Wir und auch andere Segler helfen, wo es möglich ist.  

Das meiste aber zum Leben schenkt die Natur - in erster Linie die Kokospalme. Daneben pflegt Norma ihren Garten und Harry sorgt für frischen Fisch oder man erntet Muscheln oder es werden 1 bis 3 Mal im Jahr Vogeleier gesammelt.

Und überall Blumen: im Garten, am Wegesrand, am Haus, als Tischschmuck, im Haar der Frauen und zur Begrüßung werden sie hinter das Ohr der Gäste gesteckt.

Auch das meiste Baumaterial  - dünne Stämmchen, Palmwedel - wächst hier im Wald. Natürlich nicht die unverzichtbaren Wellblechtafeln, Nägel, Draht und Plastikplanen. Aber was nicht mehr brauchbar ist, wie der alte Landrover, dessen Bremse nicht mehr geht, oder der Motorroller, bei dem man erfolglos an der Elektrik gefummelt hat, landet im Wald und wird irgendwann ein Häufchen Rost sein.

In diesem abgelegenen Atoll scheint es noch viele der riesigen Palmdiebe (Kokoskrabben) zu geben. Ca. 20 dieser Landkrabben liegen in Jutesäcken straff verpackt im Sand. Sie werden wohl auf den Speisekarten der Luxusrestaurants Bora Boras landen. Norma zeigt uns eines dieser großen Krustentiere ... beeindruckend! ...Vorsicht vor den kräftigen Scheren mit denen sie sich Zugang ins Innere von Kokosnüssen schaffen können. Ich glaube, sie könnten einen Finger glatt abknipsen

Norma nimmt uns am nächsten Tag zur Vogelinsel mit, um bei den zu abertausenden dort brütenden Seeschwalben Eier zu stibitzen. Ohne Nester legen die Vögel ihre Eier einfach ins Geröll unter Dornbüsche. Auch, wenn sie tarnfarben gesprenkelt sind, haben wir bald einen mittelgroßen Behälter davon abgesammelt. Die Eltern sind entsprechend wütend und fliegen Scheinangriffe; die ganze Kolonie ist aufgeflogen und kreischt aufgeregt.

Im nahen Gehölz leben auch diese Kokoskrabben. Tagsüber ruhen sie in Baumhöhlen versteckt. Ist eine entdeckt, hält Norma einen Stock hinein, die Krabbe greift zu, hält kräftig fest und wird aus dem Versteck gezogen. Ist sie zu klein, wird sie wieder laufen gelassen – gelebte Nachhaltigkeit.

Patrick hat sich Harry angeschlossen. Sie fahren zum Speerfischen aufs Riff. Mit reichlicher Beute kehren sie zurück. Patricks präsentiert stolz 5 schöne, große Speisefische, Harry hat es mehr auf die kleineren Nasendoktorfische abgesehen. Diese kommen abends auf den Grill. Sehr praktisch: Ausnehmen, einölen und auf den Grill damit. Der Fisch gart und die lederartige Haut wird spröde und reißt und kann so leicht abgezogen werden. Nun braucht nur noch zu essen - am besten mit den Fingern. Dazu hat Norma Kokosreis und eine Currysoße gekocht ... alles ganz lecker. Harrys selbst gebrautes Bier (es ist wohl mehr ein Wein) aus Wasser, Hefe, Zucker und Fruchtsaft schmeckt ganz gut, im Abgang aber etwas streng und scharf.

Damit wir nicht verhungern, geben sie uns die von uns „selbst gefangene“ Kokoskrabbe abgemurkst und gekocht mit an Bord. Der Geschmack ist schwer zu beschreiben. In seiner Konsistenz und der Schwierigkeit das Fleisch aus dem harten Panzer zu lösen ist es einer Languste ähnlich; anders aber im Geschmack. Der ist wohl geprägt durch die andersartige, vegane Nahrung. Insgesamt aber auch sie sehr lecker.

Über eine Woche genießen wir das Leben hier; lassen uns von Norma zeigen, wie man Kokosbrot und - Kuchen backt. Harry lehrt uns die Kunst, Kokosraspeln aus den halbierten Nüssen herauszuschaben und daraus dann Kokossahne herauszupressen. An Bord haben wir sie für Currygerichte in Dosen ... aus Thailand!

An einem Abend haben wir Party auf dem gecharterten Katamaran einer Gruppe Franzosen. An anderen Tagen durchstöbern wir Siedlungsstellen der Insel, die man einfach verlassen hat und die nun vor sich hin modern. Oder wir segeln das bordeigene, kompliziert zu segelndes Bötchen. Wir besuchen den dünnen Polynesier Peter im Süden der Lagune, der anstelle in Paris lieber hier seine Rente verlebt. Und wir freunden uns mit dem Italiener Jacopo an. Er ist mit seiner HR 312 allein unterwegs und hat seinen stressigen Forschungsjob zum Thema Kernfusion zugunsten seiner Gesundheit aufgegeben. Er ist nun glücklich und zufrieden und voller Reisepläne. Hier hilft er, den alten Dieselgenerator zu reparieren. Er hat Anschluss an die Nachbarfamilie gefunden und auch er schwärmt von der einzigartigen Gastfreundschaft.

Besonders spannend war unsere Begegnung mit einem riesigen Manta in der Lagune vor Peters Strand. Nahe der Wasseroberfläche glitt er elegant „fliegend“ nahe unserem Ankerplatz dahin. Als wir uns ihm im Dinghi näherten und mit ihm schwammen, ließ er sich kaum stören. Bedächtig schwebte er dahin und schluckte mit weit offenem Maul eine Wolke Plankton. Wir konnten lange mit ihm schwimmen und tolle Aufnahmen machen, bevor er in die Tiefe entschwebte.

Häufig  schnorchelten wir auch im Pass und außerhalb des Riffs und erfreuten uns dort an den Unterwasserlandschaften, den farbenprächtigen Korallen und den zahlreichen bunten Riffbewohnern - meist auch unter Beobachtung von neugierigen Haien.  Dabei entdecken wir auch die Überreste des Seeadlers von Graf Luckner. Nur die schweren, in den Spalten des Riffs verkeilten Eisenteile, wie einige Anker, Druckkessel und verbogene Spieren sind noch vorhanden.

Aber wir müssen auch mal weiter. Norma bittet uns zu einem  letzten Abendessen; sie lockt uns mit einer besonderen Überraschung. Das können wir auf keinen Fall ablehnen.

Keith grüßt mit einem neuseeländischen Maori-Haka; Norma schmückt uns mit frischen Blüten; Harry schmunzelt und es wird aufgetischt. Die Überraschung: Norma hat des Nachts auf dem Außenriff im Schein einer Lampe Langusten im wahrsten Wortsinn „aufgegriffen“. Und tagsüber, direkt vor der Haustür, hat sie Muscheln aus dem Riff gebrochen  (Schraubenzieher genügt). Aus diesen Hauptzutaten hat sie wieder ein köstliches Mahl gezaubert ... überwältigend gut! Harry spendiert sein selbstgebrautes Bier – diesmal mit Litchi-Geschmack. Ich muss sagen, dass Languste uns doch noch einen Tick besser geschmeckt hat als die seltenere Kokoskrabbe ...Geschmackssache halt.

Wir verabschieden uns am nächsten Morgen mit einem für sie extra eingeübten Lied:

 

Now ist he hour for me to say: Good Bye“

Soon I`ll be sailing far across the sea

While I away o please remember me

When I return I`ll see you waiting there.

 

Ein Glück, dass Keith eine so kräftige tragende Stimme hat und unser Gebrumme übertönte. Ein wehmütiger Abschied von lieben, offenherzigen, gastfreundlichen Menschen.  Sie sitzen lange, lange auf der Bank vor ihrem Haus, winken uns nach und als wir durch den Pass fahren, sehe ich sie dort immer noch sitzen.